Unschuldig sechs Jahre im Gefängnis

Manfred Köllner geriet als angebliches Mitglied eines Spionageringes ins Visier der Stasi. Seine Erfahrungen sind so unglaublich, dass er 40 Jahre darüber geschwiegen hatte. Nun erzählte der 80jährige am WG im Rahmen eines Zeitzeugengesprächs Schülern, welcher Alptraum für ihn am 28. September 1971 um 5.30 Uhr begann, als schwer bewaffnete Volkspolizisten ihn verhafteten.

Anfangs glaubte Herr Köllner noch, dass sich der Irrtum bald aufklären werde, doch ein Stasi-Offizier hatte sich in die abstruse Wahnvorstellung verrannt, dass er ein Mitglied eines vom Westen gesteuerten Spionageringes mit dem Decknamen „Waldläufer“ sei. Ein Zweifel sei ausgeschlossen, denn „das Ministerium für Staatssicherheit kann alles, weiß alles und niemand wird hier je ohne Prozess rauskommen“, so ein Zitat des Offiziers. Massive Drohungen wie lebenslängliche Einweisung in die Psychiatrie, ein Jahr in Einzelhaft und zermürbende, endlose Verhöre prägten die 30 Monate in Untersuchungshaft. Schließlich stellte man ihm seine Freilassung in Aussicht, wenn er geständig sei. Manfred Kölllner erfand daraufhin ein Geständnis, aber die angebliche Amnestie war eine Finte. Tatsächlich wurde er 1974 in einem Prozess unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu zwölf Jahren Haft verurteilt und nur die Hoffnung auf Freikauf, die der bekannte Ost-Berliner Anwalt Wolfgang Vogel ihm nach ca. sechs Jahren Haft in Aussicht gestellt hatte, motivierte ihn zum Duchhalten. So überstand er die folgenden drei Jahre in Haft, lernte Englisch und hielt sich mit täglich 10000 Schritten in seiner zwei mal vier Meter kleinen Zelle fit.

Nach sechs Jahren und drei Monaten beendete der Freikauf seine Haft. An Bord eines Busses durfte er am 9.12.1977 über den Grenzübergang Herleshausen ausreisen. Damit war Herr Köllner einer von 33755 politischen Häftlingen, die durch die BRD freigekauft wurden. Hinzu kommen noch ca. 250.000 Ausreisewillige. Bis 1989 soll die DDR für diesen Menschenhandel Waren im Wert von ca. 3,5 Milliarden DM erhalten haben. Eine Untersuchungskommision der Stasi stellte schon 1979 fest, dass der angebliche Spionagering nur ein Hirngespinst des verantwortlichen Offiziers gewesen sei. Fast 150 unschuldige Menschen wurden deswegen verurteilt. In einer Untersuchung der Vorgänge Anfang der 90er Jahre machte Herr Köllner seine Zeugenaussage. Leider musste er erleben, dass der Hauptverantwortliche nicht mehr juristisch belangt wurde. Denn der Einigungsvertrag hatte festgelegt, dass nach zehn Jahren mittelschwere Delikte aus DDR-Zeiten verjährten. Zahlreiche Fragen nach dem Vortrag zeigten das Interesse der Schüler und wie beeindruckt sie von dem lebendigen Vortrag Herrn Köllners gewesen sind. Wir danken ihm sehr für diese unvergessliche Geschichtsstunde und hoffen, dass Herr Köllner zu weiteren Besuchen an unsere Schule kommt. (vlm)

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