Steine wider das Vergessen

Vor wenigen Tagen fand die Einweihung der Stolpersteine statt, die an die Familie des ehemaligen WG Schülers Hans Joachim London erinnern sollen. Ulrike Neyer, eine Mitarbeiterin der Murhard-Bibliothek, war durch den Kauf eines Zylinders auf die tragische Geschichte dieser Familie gestoßen.

Das Ehepaar Selma und Louis London hatten das erste Sportgeschäft von Kassel. Das Geschäft lief gut und die Familie konnte sich Urlaube im Ausland leisten. Bis die Nationalsozialisten an die Macht kamen. Schon im Februar 1933 besuchte Hitler Kassel, worüber die Schüler am WG einen Aufsatz schreiben sollten. Hans Joachim, seit 1926 dort Schüler, verfasste einen kritischen Text und geriet deswegen so unter Druck, dass er die Schule verlassen musste. Da niemand bereit war, einem jungen Deutschen jüdischen Glaubens einen Ausbildungsplatz zu geben, wanderte Hans Joachim mit 19 Jahren 1935 nach Palästina aus. Was ihm das Leben rettete. Seine Schwester und Eltern wurden im Dezember 1941 nach Riga deportiert und dort am 5.4.1942 erschossen.

Im Mai 1947 kehrte Hans Joachim zum ersten Mal nach Kassel zurück. Aber es war keiner mehr am Leben. Er wanderte nach New York aus, änderte seinen Namen in John Leslie und brachte es bis zum Ingenieur bei General Motors. Hans Joachim verstarb kinderlos 2001.

Frau Neyer berichtete über ihre Recherchen bei der Einweihung vor gut zwei Dutzend Zuhörern. Musikalisch umrahmt wurde die Veranstaltung von zwei Beiträgen, die Frau Dr. Schneider-Seidel mit Schülerinnen des 10. Jahrgangs vom WG gefühlvoll darbot.

Mittlerweile sind bald 28 Jahre vergangen, seit Gunter Demnig seinen ersten Stolperstein in Köln verlegte. Inzwischen sind die rund 69000 verlegten Stolpersteine in 22 Ländern das weltweit größte dezentrale Mahnmal. Ein Schüler sagte mal in Bezug auf den Namen dazu: „Nein, nein, man stolpert nicht und fällt hin, man stolpert mit dem Kopf und mit dem Herzen.“

vlm

Nach oben