Mein Auslandsjahr in Dänemark

Hallo, mein Name ist Anna. Ich bin Schülerin des Wilhelmsgymnasiums und hatte die Möglichkeit, über das Erasmus Programm unserer Schule ein Auslandsjahr in Dänemark zu erleben. Ich habe dort eine Musik-Efterskole in Ollerup auf Fünen besucht (12.8.24-28.6.25) und würde euch gerne von meinen Erfahrungen erzählen.

Ich wollte schon immer einmal ins Ausland und hatte dazu auch mehrere Orte im Kopf wie USA oder Canada. Die Entfernung zu diesen Ländern hat mich allerdings schon ein bisschen eingeschüchtert. Zu Dänemark hatte ich aber schon familiäre Verbindungen, die mich dann sehr schnell auf die Efterskole in Ollerup aufmerksam machten, denn meine Cousine war dort auch Schülerin und erzählte immer wieder begeistert von ihrer Zeit im Internat.
Der Begriff Efterskole ist den meisten vermutlich nicht bekannt, da es sich hier um eine bestimmte Form des dänischen Schulsystems handelt. Jeder/Jede dänische Schüler*in kann für sich entscheiden, ob er/sie ein Efterskole-Jahr machen möchte. Das sind dann nur dänische Schüler*innen aus dem 9 und 10 Jahrgang (in Deutschland wären das die Jahrgänge 10 und 11). Auf der Efterskole lebt man dann wie in einem Internat, nur, dass die Schüler*innen keine schulischen Bewertungen bekommen. Man hat trotz dessen Unterricht, Noten kriegt man auf seine Klausuren und Arbeiten aber nicht. Durch den normalen Unterricht (Mathe, Englisch, Dänisch + Wahlfächer) muss man jedoch nicht die Stufe während des Efterskole-Jahres wiederholen, sondern kommt direkt in die weiterführende Klasse eines dänischen Oberstufen-Gymnasiums. Der Schwerpunkt bei solchen Schulen liegt nicht auf Schulleistungen, sondern vielmehr im sozialen Bereich. Die Schüler*innen lernen durch das Miteinanderleben mit ca. 120 weiteren Jugendlichen eine Menge über sich selbst und über ihre Mitmenschen und den Umgang miteinander, was sehr hilfreich für das zukünftige Leben ist. Ein weiterer Schwerpunkt der Efterskole, die ich besucht habe – der allerdings von Schule zu Schule ein anderer ist – beschränkt sich auf Musik. Das bedeutet, dass Musik und das musikalische Miteinander sehr gefördert wird, z.B. in Form von einem Schulchor, der aus dem ganzen Jahrgang besteht oder von Bands und anderen musikalischen Gruppen, die als Schulfach gelten. Dazu kommt, dass jeder/jede Schüler*in wöchentlich eine Einzelstunde mit seinem/ihrem Soloinstrument hat. Mit dem Schulchor fährt man auch auf eine Tournée nach.

Deutschland, bei der wir auch in Kassel aufgetreten sind. Das war sehr lustig und fast ein bisschen überfordernd für mich, weil dort meine zwei „Welten“ aufeinandergetroffen sind! Es gibt auch Wochen, in denen sich alle Schüler*innen in ein bestimmtes musikalisches Projekt einbringen müssen, wie etwa ein selbstgeschriebenes Musiktheater mit eigenen Songs oder eine Woche, in der man in Bands einen Song schreiben soll und ihn dann am Ende der Woche performen muss. Der Fokus liegt hier auch neben dem Musikalischen auf dem Vernetzen mit den anderen, sodass am Ende etwas Gutes herauskommt.
Für die ersten zwei Monate war es eine Herausforderung für mich, mich überhaupt erst einmal in einem anderen Land und Schulsystem zurechtzufinden. Ich hatte nur sehr wenige Erfahrung mit der dänischen Sprache und merkte es anfangs auch deutlich. Glücklicherweise waren sehr nette Menschen um mich herum, die mich trotz dessen einbezogen haben und auch englisch mit mir sprachen. In mir war dennoch oft der tiefe Wunsch, ich könnte alle ohne Probleme verstehen und mit ihnen sprechen, ohne die „Deutsche“ zu sein. Über die Zeit gewöhnte ich mich aber daran und jetzt kann ich so gut wie alles verstehen und problemlos eine Konversation auf Dänisch führen.

Ich habe mit drei Mädchen in einem Zimmer gewohnt. Das ist eine große Umstellung, wenn man sonst immer daran gewöhnt war, seinen privaten Raum und sein Zimmer für sich zu haben. Ich musste mich an die Gewohnheiten der anderen anpassen und trotzdem lernen, meinen eigenen benötigten Raum einzufordern. Ich habe es als positiv an meinen Mitbewohnerinnen empfunden, dass wir alle sehr unterschiedlich waren. So haben wir angenehm miteinander gelebt und uns gegenseitig unterstützt, aber hatten zum Beispiel unterschiedliche Freunde und sehr viel Freiheit außerhalb des Zimmers.
Außerdem gab es sogenannte Kontaktgruppen, in denen man in einer festen Gruppe von zehn Schüler*innen immer wieder zusammenkommt und gemeinsame Aktivitäten unternimmt oder auch über schwierige Situationen sprechen kann. Das ist ein bisschen wie ein Familienersatz.
Die Aktivitäten, die wir abgesehen vom Unterricht machen konnten, durften wir selbst wählen. Das Großartige war, dass immer jemand da war, mit dem man diese Aktivitäten zusammen machen konnte.
Eine Beschäftigung, die immer sehr beliebt war, war ein musikalischer Abend, den wir ein bis zweimal in einem Monat hatten. Dieser Abend wurde immer von Schüler*innen organisiert. Für diesen Abend konnte jeder/jeder Schüler*in, die/der Lust hatte, mit einer selbst gegründeten Band oder auch allein auftreten. Ich selbst hatte die Möglichkeit aufzutreten und es war ein sehr angenehmes Erlebnis, weil es von Schüler*innen für Schüler*innen unserer Schule war und wir uns alle kannten.

Mir hat das Jahr in dem idyllischen Dänemark sehr gefallen. Die Menschen und die Kultur, die ich kennenlernen durfte, waren positiv und sehr einprägsam für mich. Ich habe das Gefühl, als könnte ich meine Entwicklung über das Jahr in einem Graphen sehr deutlich darstellen. Er würde konstant steigen. Am Anfang war ich recht unsicher und wusste nicht, ob ich das mit der Sprache und ohne Vertraute in der Schule zu haben, schaffen werde und zum Ende hin fühlte ich mich so, als wäre es das Normalste der Welt, mit so vielen Menschen in einer Schule zu wohnen, die ich alle extrem ins Herz geschlossen habe. Ich bin glücklich, die Erfahrung gemacht zu haben, eine andere Kultur und viele fantastische Menschen mit der gleichen Liebe zur Musik kennengelernt zu haben und zu erleben, dass ich das Vertrauen zu mir haben kann, auch schwierige Situationen weit weg von zuhause alleine meistern zu können.
Anna Huss, 17 Jahre
