Im Angesicht des Unvorstellbaren – Gedenkstättenfahrt 2025

Vom 4. bis zum 9. Februar unternahmen wir, eine Gruppe von Schülerinnen und Schülern aus der Q2 und Q4 unter Begleitung von Frau Wittinghofer-Kleesiek und Herrn Gerhardy eine eindrucksvolle und bewegende Gedenkstättenfahrt nach Oświecim (Auschwitz) in Polen. Die Reise begann mit einer langen Busfahrt, die uns viel Zeit ließ, uns gedanklich auf das vorzubereiten, was uns erwartete.

Der erste Tag stand ganz im Zeichen der Vorbereitung und ersten Begegnung mit der Geschichte. In einem Workshop setzten wir uns intensiv mit der Geschichte des Holocausts auseinander, bevor wir die Länderausstellungen auf dem Gelände des Stammlagers Auschwitz I besuchten. Die dort präsentierten persönlichen Gegenstände, Fotografien und Dokumente machten das unvorstellbare Leid der Opfer greifbarer. Besonders die individuellen Schicksale ließen uns nachdenklich zurück. Menschen, die einst ein ganz normales Leben führten, bevor sie auf grausame Weise entrechtet, verfolgt und ermordet wurden.

Ein tief erschütternder Moment war der Besuch des Stammlagers Auschwitz I. Der Schriftzug „Arbeit macht frei“ über dem Eingangstor wirkte in der Realität noch perfider und zynischer, als man es aus Büchern oder Dokumentationen kennt. In den engen Häftlingsbaracken sahen wir die primitiven Schlafstätten und insbesondere die menschenunwürdigen Bedingungen, unter denen die Gefangenen leben mussten. Die Gaskammer und die Erschießungsmauer waren beklemmend. Es war ein Ort des Grauens und das Wissen, dass hier tausende Menschen auf unmenschliche Weise starben, machte das Schweigen in der Gruppe umso drückender.

Am Nachmittag erkundeten wir die Stadt Oświecim, die heute so ruhig und friedlich wirkt, aber einst von einem blühenden jüdischen Leben geprägt war. Der Besuch des jüdischen Zentrums ließ uns noch tiefer in die Geschichte der Stadt eintauchen und verdeutlichte, wie viel unwiederbringlich verloren gegangen ist.

Am folgenden Tag besuchten wir das Vernichtungslager Auschwitz II Birkenau. Bereits der Blick auf das riesige Gelände mit seinen scheinbar endlosen Reihen von Baracken und das bekannte Eingangstor, durch das einst die Züge mit den Deportierten fuhren, war überwältigend. Hier wurde uns die Dimension des Mordes noch einmal mit aller Härte bewusst. Rund 1,1 Millionen Menschen wurden in Auschwitz ermordet, die meisten von ihnen in Birkenau. Die zerstörten Gaskammern und Krematorien zeugten von den perfiden Plänen der Nationalsozialisten, die Spuren ihrer Verbrechen zu verwischen. Besonders eindringlich waren die Berichte von Zeitzeugen, die über das unsägliche Leiden, die unmenschlichen Zustände und den täglichen Kampf ums Überleben erzählten. Viele von uns waren sprachlos und konnten sich kaum vorstellen, wie Menschen zu so einer Grausamkeit fähig sein konnten.

Ein weiteres bewegendes Erlebnis war der Besuch der Kunstaustellung „Labyrinthe“ des Ausschwitz-Überlebenden Marian Kolodziej. Seine Bilder zeigten auf eindrückliche Weise das Grauen, das er selbst erlebt hatte, und ließ uns in die Gedankenwelt eines Überlebenden eintauchen. Die unzähligen gequälten Gesichter, die er in seinen Werken festhielt, wirkten wie ein stummer, aber eindringlicher Schrei der Vergangenheit, der uns noch lange beschäftigten sollte.

Ein Kontrast zu den vorherigen Tagen war der Tagesausflug nach Krakau. Die Stadt, die während des Krieges eine zentrale Rolle spielte, beeindruckte uns mit ihrer Geschichte und ihrer kulturellen Vielfalt. Wir begannen den Tag mit einer Stadtführung durch die wunderschöne Altstadt, vorbei an der Marienkirche und dem berühmten Marktplatz. Die gut erhaltene Architektur und die lebendige Atmosphäre Krakaus standen im starken Gegensatz zu den bedrückenden Eindrücken der letzten Tage. Dennoch war die Geschichte des Holocausts auch hier allgegenwärtigen insbesondere im ehemaligen jüdischen Viertel Kazimierz, das einst ein Zentrum jüdischen Lebens war. In den engen Gassen wurde uns bewusst, wie reich und vielfältig das jüdische Leben in Polen vor dem Zweiten Weltkrieg war und insbesondere wie brutal es zerstört wurde.

Ebenfalls eindrucksvoll war der Besuch des Museums Oskar Schindlers Emaillefabrik. Schindler rettete über 1.000 jüdische Menschen vor dem sicheren Tod und seine Geschichte zeigte uns, dass es selbst in der dunkelsten Zeit Menschen gab, die Mut bewiesen und Widerstand leisteten. Die Originalgegenstände und Dokumente im Museum machten seine Taten noch greifbarer und ließen uns über Zivilcourage und Verantwortung nachdenken.

Diese Reise war mehr als eine einfache Exkursion. Sie war eine emotionale und tiefgehende Erfahrung. Auschwitz ist ein Ort, den man niemals wirklich begreifen kann, aber ein Ort, den man besuchen muss, um das Ausmaß des Grauens zu erfassen. Wir haben gelernt, dass Geschichte nicht nur aus Zahlen und Fakten besteht, sondern aus den Geschichten einzelner Menschen, die durch sie geformt wurden. Auschwitz hinterlässt Spuren. Nicht nur in den Geschichtsbüchern, sondern auch in unseren Gedanken.

Wir kehrten mit vielen Fragen zurück, aber auch mit einem starken Bewusstsein für unsere Verantwortung. Die Worte des Auschwitz-Überlebenden Primo Levi sind eine eindringliche Mahnung: „Es ist geschehen, und folglich kann es wieder geschehen. Darin liegt der Kern dessen, was wir zu sagen haben.“ Wir haben die Pflicht, das Gedenken aufrechtzuerhalten und uns aktiv gegen Hass, Rassismus und Ausgrenzung einzusetzen. Denn wie Elie Wiesel sagte: „Darüber zu sprechen, ist unmöglich, darüber zu schweigen, verboten.“

Abschließend möchten wir uns herzlich beim Förderverein des Wilhelmsgymnasiums Kassel sowie beim Verein zur Förderung der Internationalen Jugendbegegnungsstätte Oświecim, Wolfsburg e.V. (FIJA), für die geleistete finanzielle Unterstützung bedanken.

Charlotte Storch, Q2

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