«Ich kann es echt nicht fassen, dass Menschen so etwas tun können.»
Wer das Vernichtungslager in Auschwitz gesehen hat, versteht diese Fassungslosigkeit angesichts des größten Verbrechens der Menschheitsgeschichte. Kürzlich haben 18 Schüler der Oberstufe und zwei Lehrer in diesem besonderen Gedenkjahr die Fahrt nach Polen auf sich genommen, um dort mehrere Tage die Orte des industrialisierten Massenmordes an einer Million Juden und hunderttausend weiterer Opfer kennenzulernen. Dabei wurden sie von einem Reporter der renommierten Neuen Zürcher Zeitung begleitet. So entstand ein lesenswerter Artikel, der hier in einigen Auszügen wiedergegeben werden soll.
In einigen Baracken werden die Opfer durch ihre Hinterlassenschaften besonders fühlbar für den Besucher. „Die Drähte, die sich erst bei genauerem Hinsehen als Tausende von Brillen erweisen, erschrecken nicht nur den Kurzsichtigen. Still gehen die Gruppen einer Vitrine voller Haare entlang. Sie gehörten den Vergasten und wurden später verkauft, als Stopfmaterial für Matratzen. Das nächste Zimmer füllt ein Berg von Schuhen, jenes danach ein endloser Haufen von Koffern: Die Ermordeten schrieben vor ihrem Abtransport in den Osten von Hand ihre Namen darauf. Die Nationalsozialisten hatten sie im Glauben bestärkt, sie würden nach der Zugfahrt ins Nirgendwo ein neues Leben beginnen.
Selbst an der Rampe im Lager Birkenau, das im zweiten Teil der Führung besucht wird, ahnten die meisten nichts. Von aussen wirkten die Gaskammern und Krematorien wie Duschen. Heute ist nur eine beklemmende Ruine erhalten, mit geschwärzten Wänden, von Moos überwachsen. Es ist schwer vorzustellen, wie die Opfer in die Vorräume geführt und aufgefordert wurden, sich zu entkleiden. Die SS versuchte, jeden Aufruhr zu vermeiden, um einen möglichst effizienten Ablauf sicherzustellen. Auch die Rücksicht auf Gefühle war ein Faktor – allerdings nicht auf jene der Juden, sondern auf jene des Wachpersonals: Die Hauptsorge der SS war, dass die eigenen Leute vom Morden zu stark traumatisiert würden, um weiterzumachen.
Um die Leichen mussten sich danach die sogenannten Sonderkommandos der Häftlinge kümmern. Die 16-jährige Hanna Fuchs beschäftigt dieser Aspekt besonders: «Das ist doch schrecklich, dass man die Juden zwang, die Leichen zu verbrennen, obwohl sie glaubten, dass die Toten so nicht auferstehen.» Die Asche wurde im sumpfigen Boden und in Bächen verteilt. Über diesen Friedhof zu gehen, weckt bei der Jugendlichen ein mulmiges Gefühl. «Das ist respektlos», findet Hanna Fuchs, «da sind doch so viele Menschen gestorben.» (….)
Bei der Nachbesprechung am ersten Abend sind alle Schüler tief beeindruckt. Dies, obwohl – oder gerade weil – die Gedenkstätte keine schrecklichen Bilder, Knochen oder Blut zeigt. «Der Ort spricht für sich selbst», davon ist der Museumsdirektor Piotr Cywinski überzeugt, und das Gleiche gelte für die Exponate. Die stummen Zeugen des Grauens gehen unter die Haut, auch ohne spezielle Inszenierung.“ Genau deshalb finden jedes Jahr für Schüler unserer Oberstufe diese Fahrten statt. Wie wichtig diese Erfahrung ist, zeigt die Erkenntnis von Swattaki Chakraborty: „Man muss nach Auschwitz gehen, das fühlen, um zu verhindern, dass sich so etwas wiederholen kann.“ Der Artikel ist unter diesem Link zu erreichen. (anklicken)
Herzlichen Dank an den Autor der NZZ Ivo Mijnssen. Titelzitat von Swattaki Chakraborty. (vlm)