Blut und Spiele? Menschenrechte und Sport

Die Podiumsdiskussion zu diesem hochaktuellen Thema war hochkarätig und breit gefächert besetzt:

Ronny Blaschke, Sportjournalist mit den Themenschwerpunkten Gewalt, Diskriminierung und Geopolitik im Sport,

Boris Mijatovic, Mitglied des Bundestagsausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe,

Florian Beisheim, Mitglied im Aufsichtsrat vom KSV Hessen-Kassel,

Evelyn Heyer, Psychotherapeutin für Kinder und Jugendliche, WG-Absolventin

Dennis Pfeiffer vom Fanprojekt Fullestadt und

Veronica King, Trägerin des Hessischen Preises für lesbische Sichtbarkeit und Übungsleiterin bei Dynamo Windrad.

Ulli Janovsky, ehemaliger WG-Schüler und Programmchef von hr-info, moderierte die lebhafte Diskussion, die zwei Themenschwerpunkte hatte. Die Einleitung zum ersten Thema „Menschenrechte und die WM in Katar“ übernahm Emil Trebes, Leistungskurs Sport Q3 von Herrn Thiele. Mit rund 2,2 Millionen prekär beschäftigten Arbeitsmigranten, einer nicht genau bekannten Anzahl von Todesopfern beim Bau der Stadien und weiterer Infrastruktur und erheblichen Defiziten bei den Menschenrechten ist Katar ein problematischer Austragungsort für diese Fußballweltmeisterschaft. Trotzdem meinte Boris Mijatovic, der in Katar gewesen ist, gibt es gute Gründe, die bei allen Problemen auch für diesen Austragungsort sprechen. Es ist die erste WM in dem arabischen Kulturkreis und es gab im Land immerhin einige Schritte zur Verbesserung der Lebenssituation der Migranten. Seit 2020 wurden ein Mindestlohn von etwa 230,-€ und eine Krankenversicherungspflicht eingeführt. Man sollte außerdem bei der Beurteilung von z.B. menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen in anderen Ländern bedenken, dass zum einen auch deutsche Firmen nicht selten davon profitieren und zum anderen selbst in Deutschland, das zeigte der Tönnies-Skandal, nichts alles zum Besten bestellt sei.

Dennis Pfeiffer trat vehement für einen Boykott ein. Es gehe nicht nur um Katar, sondern vor allem um die FIFA und deren Vergabepolitik. Dem schloss sich Florian Beisheim an und fügte hinzu, dass auch der Profifußball insgesamt zu hinterfragen sei. Wie sehr es dabei vor allem um enorme Gewinne geht, betonte Sportjournalist Blaschke. Ungefähr 7,5 Milliarden € Gewinn generiere die WM und die FIFA müsse als eingetragener Verein in der Schweiz noch nicht einmal Steuern zahlen. Obwohl der DFB mit 7 Millionen Mitgliedern der größte Fußballverband der Welt sei, habe seine Stimme bei Abstimmungen dasselbe Gewicht wie Liechtenstein. Aus dem Publikum kam die Frage, warum es früher keine Kritik gegeben habe, als zum Beispiel die Olympischen Spiele in China ausgetragen wurden. Kritik habe es schon gegeben, meinten die Diskussionsteilnehmer, aber nicht so präsent und in der Breite der Medien. Das liege wohl an der gewachsenen Sensibilität.

Der zweite Themenschwerpunkt „Sport und Menschenrechte“, zu dem Jessina Pfaff, ebenfalls LK-Sport in der Q3, die Einleitung gestaltete, berührt noch viel unmittelbarer unseren Alltag: Wer hat nicht in den letzten Wochen von den Berichten über sexualisierte Gewalt in diversen Sportarten gehört? Diplompsychologin Heyer, die seit Jahren derartige Fälle kennt und behandelt, wunderte sich, dass diese Problematik erst jetzt ein breiteres Publikum erreicht. Sie sieht die Strukturen der Vereine mit Abhängigkeiten, Intransparenz und Machtpositionen als verantwortlich für diesen Missstand. Deswegen fordert Heyer Ehrencodices und Fortbildungen für die Trainer. Rassismus, Antisemitismus und Homophobie sind weitere Problemfelder, die auch Dynamo Windrad betreffen, wie King freimütig zugab. Der Verein sei ein Spiegelbild der Gesellschaft und nicht immer habe man die Nerven, unmittelbar auf Vorfälle zu reagieren. Hilfe für Kinder und Jugendliche gibt es z.B. bei der Sportjugend Hessen, der „NummergegenKummer“ (T. 116111) oder auch bei der regionalen Internetseite „https://hilfefuerkinder-kassel.de“. Eine verhalten optimistische Perspektive angesichts des Schneckentempos von gesellschaftlichem Fortschritt gab zum Schluss Mijatovic, der an das Sprichwort erinnerte „Der stete Tropfen höhlt den Stein“. Großes Lob hatte Beisheim für diese Podiumsdiskussion: „Coole Veranstaltungen wie diese sind eine Möglichkeit, etwas zu verändern!“ Applaus für alle Teilnehmer beendeten den kurzweiligen Abend. Ton und Licht waren wieder hervorragend – Dank an das Technik-Team. Schon seit Monaten hat Herr Kollmann diese Veranstaltung geplant und organisiert. Ganz besonderen Dank an ihn und den vielen weiteren Helfern! (vlm)

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